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Bundesrat billigt härtere Strafen für illegale Autorennen

von KSD

Bundesrat billigt härtere Strafen für illegale Autorennen

Anlass für die Reform waren einige spektakuläre Fälle von extrem geschwindigkeitsintensiven illegalen Autorennen in Großstädten, bei denen Menschen schwer verletzt und teilweise sogar zu Tode gekommen sind und in denen diverse Gerichte höchst unterschiedliche Urteile gefällt haben. Das AG Mönchengladbach hatte in einem Fall, bei dem ein  unbeteiligter Fußgänger zu Tode gekommen ist, erst vor wenigen Wochen gegen den mutmaßlichen Täter Haftbefehl wegen Mordverdachts angeordnet.

Lebenslange Haftstrafen für Rennteilnehmer in Berlin

Furore gemacht hatte zuvor schon ein Urteil der 34. Großen Strafkammer des LG Berlin gegen die 28jährigen und 25jährigen Spontanteilnehmer an einem Illegalen Autorennen, bei dem am 2.1.2016 in Berlin ein 69-jähriger unbeteiligter Fahrer eines Jeeps zu Tode gekommen war.

Das LG verurteilte die Rennteilnehmer wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Fahrerlaubnis wurde beiden Angeklagten lebenslang entzogen (LG Berlin, Urteil v. 27.2.2017, 535 Ks 8/16). Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Bewährungsstrafen trotz Todes einer Neunzehnjährigen

Das Urteil hatte Signalwirkung. Die Teilnahme an illegalen Straßenrennen wurde juristisch bis zum 24.8.2017 (BGBl. 2017 I, 3202) als Ordnungswidrigkeit gewertet, jedenfalls dann, wenn nichts weiter passiert war (OLG Hamm, Beschluss v.  5.3.2013, II – 1 RBs 24/13).

§ 29 StVO bestimmte eher lapidar: Rennen mit Kraftfahrzeugen sind verboten. Der Verstoß hiergegen wurde gemäß § 49 StVO lediglich als Ordnungswidrigkeit gewertet.

Milde Urteile für illegale Autorennen auch in Tötungsfällen

Kamen Menschen zu Schaden, so war eine Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB oder fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB möglich.

Aber auch in diesen Fällen haben die Gerichte bisher ebenfalls eher milde geurteilt. So hat das LG Köln die Teilnehmer eines spontanen Straßenrennen, bei dem eine neunzehnjährige Fahrradfahrerin getötet wurde, wegen fahrlässiger Tötung lediglich zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. einem Jahr und neun Monaten verurteilt und die Strafverbüßung zur Bewährung ausgesetzt (LG Köln, Urteil v. 14.4.2016, 117 KLs 19/15). Da zog der BGH allerdings nicht mit (s.u.).

BGH mahnte bereits nachhaltigere Strafen für Straßenrennen an

Im Fall des Kölner Rennens monierte der BGH den nach seiner Auffassung nicht hinreichend begründeten Bewährungsbeschluss. Unter Hinweis auf § 56 Abs. 3 StGB mahnte der BGH ein dezidiertes Eingehen auf generalpräventive Gründe an. Eine Strafe könne dann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn hierdurch das schützenswerte Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung nicht in unangemessener Weise erschüttert werde. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Häufung von Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang aufgrund überhöhter Geschwindigkeit in großen Städten (BGH, Urteil v. 6.7.2017,  4 StR 415/16). Die Vorinstanz muss diese Aspekte nun erneut überprüfen.

Gesetzesinitiative des Bundesrates

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hat der Bundesrat im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach Teilnehmer und Organisatoren illegaler Rennen zukünftig nicht mehr mit einer Geldbuße davon kommen sollen, sondern mit empfindlichen Strafen zu rechnen haben. Nun hat der Bundestag dem Entwurf noch unmittelbar vor der Sommerpause zugestimmt.

Autorennen ohne Opfer: Statt 400 Euro Bußgeld bis zu 2 Jahren Haft

Nach dem nun verabschiedeten Gesetz können Teilnehmer eines illegalen Autorennens mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden, auch dann, wenn durch das Rennen niemand zu Schaden kommt. Bisher gab es lediglich 400 Euro Bußgeld und es wurde für einen Monat die Fahrerlaubnis entzogen.

Neuer § 315 d StGB regelt Straßenrennen

Gemäß dem neuen § 315 d StGB werden einzelne Straftatbestände nach der Intensität der Begehung sowie der Schwere der Folgen abgestuft:

  • Gemäß § 315 d Abs. 1 StGB wird die Ausrichtung oder Durchführung eines illegalen Rennens oder die Teilnahme als Kraftzeugführer mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet (= abstraktes Gefährdungsdelikt);
  • Der Versuch ist strafbar, § 315 d Abs. 3 StGB.
  • Gemäß § 315 d Abs. 2 StGB beträgt die angedrohte Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre, wenn Rennteilnehmer Leib und Leben eines Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert gefährden; die Gefährdung als solche muss konkret sein, d.h. sie muss sich zu einer realen Gefahr verdichtet haben, bei der der Eintritt oder Nichteintritt eines Schadens eher zufällig ist. Bedeutend ist ein Wert ab ca. 750 Euro.

Kommt jemand zu Tode oder wird schwer verletzt, ist die Tat ein Verbrechen

Wird bei einem Straßenrennen ein Mensch oder werden mehrere Menschen getötet oder schwer verletzt, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren verhängt werden. Dieser Tatbestand wird als Verbrechen gewertet.

  • Wer die Gefahr fahrlässig verursacht, wird gemäß § 315 d Abs. 4 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft
  • verursacht der Täter den Tod oder eine schwere Gesundheitsbeschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsbeschädigung einer großen Zahl von Menschen, so lautet die Freiheitsstrafe gemäß § 315 d Abs. 5 StGB von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
  • Gemäß § 315 f StGB können Kraftfahrzeuge in bestimmten Fällen eingezogen werden.
  • In allen Fällen kann die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB entzogen werden.

Nicht nur Straßenrennfahrer, auch „Einzelraser“ sind dran

Ein weiteres Problem, das mit dem Gesetz gelöst werden soll, ist das der sogenannten Einzel- oder Alleinraser.

Dies meint die sogar häufigeren Fälle, in denen ein Einzelner extrem riskant und  unter extremer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit fährt, um eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen, ohne dass ihm die Teilnahme an einem Rennen nachgewiesen werden kann, weil beispielsweise ein möglicher Renngegner nicht festzustellen ist. Auch die Alleinraser können künftig mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren belegt werden,  § 315 d Abs. 1 Ziff. 3 StGB.

Die Regelung zum Einzelraser ist sehr komplex

Praktiker befürchten, dass die Bestrafung von Einzelrasern im konkreten Fall schwierig sein wird. Die Möglichkeit der Bestrafung hängt nach dem Gesetzestext von einer Reihe von Voraussetzungen ab:

  • Der Einzelraser muss mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren sein. Hier könnte die Abgrenzung zu einer einfachen Geschwindigkeitsüberschreitung schwierig sein, die weiterhin als Ordnungswidrigkeit zu werten ist. Angepasst ist eine Geschwindigkeit nach bisheriger Definition nur dann, wenn sie dem Kraftfahrzeugführer im Hinblick auf die gesamte Verkehrssituation, den Straßenzustand und die Wetterverhältnisse eine ständige Beherrschbarkeit des Fahrzeugs garantiert.
  • Der Raser muss grob verkehrswidrig und rücksichtslos gehandelt haben, das heißt, ihm muss ein erhöhter Grad an Fahrlässigkeit vorgeworfen werden können, der über die grobe Fahrlässigkeit hinausgeht.
  • Darüber hinaus muss die Absicht des Rasers nachgewiesen werden, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Auch dieser Nachweis könnte im Einzelfall schwierig werden.

Auch Internetaufrufe zu Rennen werden erfasst

Unter Strafe gestellt ist nach der Reform auch der Versuch der Organisation bzw. Veranstaltung oder Verabredung von Autorennen, wie es in der Vergangenheit häufiger durch Aufrufe beispielsweise im Internet beobachtet wurde.

Illegale Autorennen haben Suchtpotenzial

Die Expertenmeinung lautet:

Auch mit erhöhten Strafdrohungen werden illegale Autorennen auch zukünftig zur Realität im Straßenverkehr gehören.

Nach Schätzungen von Verkehrsexperten existieren allein in Köln über 4.000 rennfertig aufgemotzte Autos. Das Problem wird auch künftig sein, diejenigen darunter auszumachen, die illegale Autorennen veranstalten. Psychologen gehen davon aus, dass es sich bei vielen potentiellen Teilnehmern um eine regelrechte Sucht handelt, die durch eine Gesetzesverschärfung nur begrenzt in den Griff zu kriegen ist. In der Szene ist es bereits üblich, sich bei organisierten Autorennen über Funk vor herannahenden Polizeistreifen zu warnen.

Rasen ist ein Grundproblem

Der Kriminologe Prof. Dr. Henning Müller, der im Rechtsausschuss des Bundestages als Sachverständiger zur Anhörung im Rahmen der Gesetzesänderung geladen war, warnt davor, wegen einiger spektakulärer Rennunfälle die insgesamt äußerst erheblichen Unfallrisiken durch die ganz normalen Alltagsraser zu vernachlässigen. Das Rasen im Straßenverkehr stelle insgesamt ein gravierendes Sicherheitsrisiko dar, dessen Ahndung durch Bußgelder aktuell in vielen Fällen deutlich zu milde sei.

 

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