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Im Newsbereich zum Verkehrsrecht finden Sie aktuelle juristische News, Fachwissen, Newsletter und Praxishilfen – immer up-to-date.
von KSD
Dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls steht für den Zeitraum, in dem er sein Fahrzeug unfallbedingt nicht zur Verfügung hat, oftmals ein Anspruch auf Erstattung seines Nutzungsausfallschadens zu.
In der Praxis sehr häufig ist hierbei der Streit mit dem eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer über die Dauer des Nutzungsausfallschadens. Dies ist faktisch einer der „running Gags“ der Praxis der Unfallschadenregulierung.
Eine Sonderkonstellation ergibt sich allerdings dann, wenn der Geschädigte sich bereits vor dem Unfallereignis ein Neufahrzeug bestellt hatte, das aufgrund längerer Lieferzeiten allerdings erst lange nach dem Unfallereignis geliefert werden kann. Der dann entstehende Zeitraum des Ausfalls des geschädigten Fahrzeugs bis zur Erlangung des Ersatzfahrzeugs (hier des Neufahrzeugs) ist zwangsläufig übermäßig lang.
Der Schädiger bzw. dessen Versicherer hat dann dennoch für den gesamten Zeitraum den Nutzungsausfallschaden zu erstatten, wenn der Versicherer zuvor die Übernahme der Kosten für ein Interimsfahrzeug abgelehnt hat, da es dem Geschädigten nicht zuzumuten ist, auf eigene Kosten ein Interimsfahrzeug zu kaufen. So das Landgericht Augsburg im Urteil vom 10.11.2016.
Der geschädigte Kläger hatte der beklagten Versicherung nach dem Unfall mitgeteilt, dass er bereits vor dem Unfallfahrzeug ein Neufahrzeug bestellt hatte. Der Unfall ereignete sich am 16.09.2015. Die Anmeldung des Neufahrzeugs erfolgte am 15.02.2016. Nachdem die Beklagten auf die konkrete Anfrage des Klägers eine Kostenübernahme für ein Interimsfahrzeug ausdrücklich ablehnte, verzichtete der Kläger auf den Erwerb eines solchen und wartete die Lieferung des bestellten Fahrzeugs ab. Im Nachgang hierzu machte er mit der Klage den Nutzungsausfall für den gesamten Zeitraum im Umfang von 8.732,00 € geltend.
Das Landgericht Augsburg gab ihm recht. Die Versicherung wandte im gerichtlichen Verfahren nun wohl ein, dass der Kläger sich doch ein Interimsfahrzeug habe beschaffen können, um den Schaden gering zu halten, da er dies nicht gemacht habe, habe er gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, weshalb er den Nutzungsausfallschaden nicht verlangen könne.
Diesem Ansatz folgte das Landgericht nicht und verwies darauf, dass es dem Geschädigten nicht zuzumuten ist, auf eigene Kosten ein Interimsfahrzeug zu kaufen, wenn er doch dabei davon ausgehen müsse, dass der eintrittspflichtige Versicherer sich weigert, diese Kosten zu übernehmen.
Das Landgericht stützt sich in der Argumentation u.a. auf die Rechtsprechung des BGH, wonach der Geschädigte eines Unfalls grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Schaden aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder einen Kredit für die Schadensbeseitigung bzw. Schadensminderung aufzunehmen (vgl. BGH IV ZR 120/04 und BGH II ZR 355/0). Eine solche Verpflichtung wird in der Regel nur dann angenommen, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird (vgl. BGH IV ZR 120/04). Dem Geschädigten wird allerdings abverlangt, dem Schädiger zeitnahe aufzuzeigen, dass er nicht ohne Vorschussleistung zur Vorfinanzierung der Schadensbeseitigung in der Lage ist. Dann erhält der Schädiger die Möglichkeit, den drohenden, größeren Schaden durch Zahlung einer Vorschussleistung abzuwenden (vgl. u.a. OLG Brandenburg (12 U 33/10).
Der Bundesgerichtshof hat die Frage des erstattungsfähigen Nutzungsausfallschadens bereits gewürdigt. Mit Blick auf die hierzu zuletzt ergangenen Entscheidungen des BGH (vgl. BGH VI ZR 652/07 und BGH VI ZR 211/08) dürfte die Entscheidung des Landgerichts Augsburg kritisch zu bewerten sein, da sie sich nicht voll auf der Linie des BGH befindet. Im Interesse der Geschädigten ist sie im Ergebnis sicherlich zu begrüßen. Dass die Zielrichtung der Entscheidung sich in der gerichtlichen und der außergerichtlichen Regulierungspraxis durchsetzen lässt, ist allerdings nicht gewiss.
Hat ein Unfallgeschädigter vor dem Unfall bereits ein Neufahrzeug bestellt, so ist der Praxis der Einzelfall genau zu bewerten. Relevante Tatsachen ergeben sich hierbei nicht nur aus dem Schadensbild, sondern auch aus dem individuellen Hintergrund des Unfallgeschädigten. Nur auf Basis der Kenntnis aller relevanten Tatsachen kann die Unfallregulierung im bestmöglichen Sinne gewährleistet werden. Der erste Schritt zur erfolgreichen Schadensregulierung ist daher die Stellung der richtigen Fragen. Hierzu stehen wir ihnen mit fachkundiger, anwaltlicher Betreuung gerne zur Seite.
Im Raum Heilbronn und Umgebung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Rechtsanwalt Richard Herber(Spezialist Verkehrsrecht)