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BGH schließt sich „nebenbei“ umstrittener Rechtsprechung des OLG Scheswig an

von KSD

War es bis dato gefestigte Rechtsprechung, dass der Versicherer nur für Schäden haftet, die in seiner Haftzeit entstanden sind, entschied das OLG Schleswig nunmehr, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schadens, bzw. dessen Ursache ankäme, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt abzustellen sei, in welchem ein Durchschnittsversicherungsnehmer den Schaden erkennen könne und von diesem Kenntnis erlange.
 
In der Konsequenz hieraus fanden sich nunmehr viele Nachversicherer mit Schäden befasst, welche ihren Ursprung im Zeitraum des Vorversicherers hatten.
 
Diese Rechtsprechung des OLG Schleswig führte nicht nur in der Kommentierung und Literatur, sondern auch der Praxis zu berechtigter Kritik. Andere Obergerichte teilen diesen Ansatz in Abkehr der „Theorie des ersten Tropfens“ bis heute nicht (a.A. vgl. OLG Köln r+s 2008, 245 und OLG Celle VersR 2013, 57).
 
„Die Klauseln über Leitungswasserschäden in §§ 1 Nr. 1 b, 3 Nr. 3 VGB 2008 sind dahingehend auszulegen, dass der Versicherer für alle die Leitungswasserschäden haftet, die innerhalb der Vertragslaufzeit erkennbar werden, auch wenn die Ursachen für die Schäden – für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar – schon vor Vertragsbeginn gesetzt worden sind.“ – OLG Schleswig, Urteil v. 19.02.2015, Az.: 16 U 99/14
 
Höchstrichterlich befasste sich der BGH bisher explizit nicht mit dem Urteil des OLG Schleswig.
 
Nunmehr nahm der BGH in dem hier besprochenen Urteil – mehr als Annex, denn als Leitsatz – Bezug auf das OLG-Urteil aus 2015 und bestätigt die dortige Ansicht im Wesentlichen.
  
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung des BGH zu Grunde:
 
In der Revisionsinstanz stritten die Parteien über die Auslegung der §§ 4, 13 VGB 2001.
 
Der Versicherungsnehmer – und Kläger – wollte seine Wohngebäudeversicherung nach Entdeckung von Durchfeuchtungen im Fußbodenbereich in Anspruch nehmen, die infolge einer Undichtigkeit der im Fußbodenaufbau verlegten Kaltwasserleitung entstanden waren. Er ließ die Undichtigkeit beseitigen und Trocknungsmaßnahmen durchführen, welche der Versicherer regulierte. Die Kostenübernahme für die Sanierung des mikrobiell belasteten Estrichaufbaus lehnte der Versicherer jedoch mit der Begründung ab, es handele sich um durch Schimmel verursachte Schäden, die vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien.
 
Das Berufungsgericht gab der Argumentation des Versicherers noch Recht und meinte, es greife der Ausschluss in § 6 Nr. 3 d) VGB 2001, wonach sich der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden durch Schwamm oder Schimmel erstrecke.
 
 Die Entscheidung:
 
Der BGH hebt das zweitinstanzliche Urteil auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.
 
Nach einer Inhaltskontrolle kommt er zu dem Ergebnis, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und lückenlosen Schutz erwarte (Senatsurteile v. 25.03.1998 – IV ZR 137/97, r+s 1998, 2003; v. 16.06.1993 – IV ZR 226/92, r+s 1993, 349).
 
Diese Hauptleistungsversprechen des Versicherers schränke die Ausschlussklausel in § 6 Nr. 3 d) VGB 2001 ein, indem sie die durch Schimmel verursachten Schäden ausnehme. Eine derartige Klausel, welche die typischen Folgen eines längere Zeit unentdeckten Leitungswasserschadens ausschlösse, löse sich vom Leitungsversprechen, das eine Kostenerstattung für solche Folgeschäden grundsätzlich einschließe. Sie griffe zudem in die zentralen Leistungserwartungen des Versicherungsnehmers in erheblicher Weise ein – so der BGH.
 
Soweit, so gut, sollte man meinen, doch geht der BGH nun in diesem Urteil – obwohl dies für die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Berufungsgericht nicht nötig gewesen wäre – noch einen Schritt weiter.
 
Er führt aus, dass für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nach den vorgenannten Bedingungen der Eindruck entstehe, er genieße in Bezug auf von ihm nach Vertragsschluss entdeckte Leitungswasserschäden umfassenden Versicherungsschutz, weil es für die zeitliche Festlegung des Versicherungsfalles nicht auf den Beginn des schädigenden Vorgangs, sondern auf die Entdeckung des Schadens ankäme (so auch OLG Schleswig NJW 2015, 2431 Rn. 22; OLG Hamm r+s 2015, 451 Rn. 18; Hoenicke, in: Veith/Gräfe/Gebert, der Versicherungsprozess, 3. Aufl. § 4 Rn. 20; Schwintowski, VuR 2012, 374, 375).
 
Darin werde er auch dadurch bestärkt, dass § 26 Nr. 1 a) VGB 2001 die Obliegenheit begründet, den Versicherungsfall „bei Eintritt“ unverzüglich anzuzeigen. Da eine solche Anzeigeobliegenheit immer voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer den anzeigepflichtigen Umstand positiv kennt (vgl. Senatsurteil v. 30.04.2008 – IV ZR 227/06, VersR 2008, 905 Rn. 15, 18; vgl. auch Senatsurteil v. 05.11.2014 – IV ZR 8/13, r+s 2015, 445 Rn. 14), wird der Versicherungsnehmer daraus, dass die Anzeigeobliegenheit des § 26 Nr. 1 a) VGB 2001 an den „Eintritt“ des Versicherungsfalles anknüpft, den Schluss ziehen, dieser Eintritt liege in der Entdeckung des Leitungswasserschadens.
 
 Anmerkung:
 
Die zu Recht kritisierte Entscheidung des OLG Schleswig ist spätestens jetzt nicht mehr als Fauxpas eines Obergerichts anzusehen und kann nicht mehr als „Mindermeinung“ in der Rechtsprechung konterkariert werden.
 
Das Urteil des BGH führt – ob letztendlich gewollt oder nicht – zu dem Ergebnis, dass de facto die Vorversicherer keine Deckung zu gewähren haben bei Schäden, welche zwar ihre Ursache im Versicherungszeitraum hatten, jedoch unentdeckt blieben und erst im Zeitraum des Nachversicherers zum Vorschein getreten sind.
 
Die Versicherungsbranche sollte daher genau prüfen und sich der Risiken bewusst sein, die sie eingeht, wenn Altbestände übernommen werden. Das hierdurch eingekaufte Risiko ist kaum überschaubar und steht wohl mit den Wohngebäudeversicherungsprämien in keinem Verhältnis. Es ist daher künftig von einem erhöhten Schadenaufkommen und einer schlechten Schadenquote in den Verträgen auszugehen.
 
 
Rechtsanwalt
Philipp Feuchter

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